NSA hört UN-Sicherheitsrat ab

Am Sonntag, den 02. März veröffentlicht die Britische Zeitung The Observer folgendes Memorandum des Regionalchefs der National Security Agency (NSA) Frank Koza. Es ist auf den 31. Januar 2003 datiert:

To: [Recipients withheld]
From: FRANK KOZA, Def Chief of Staff (Regional Targets)
CIV/NSA
Sent on Jan 31 2003 0:16
Subject: Reflections of Iraq Debate/Votes at UN-RT Actions + Potential for Related Contributions
Importance: HIGH
Top Secret//COMINT//X1

All,

As you’ve likely heard by now, the Agency is mounting a surge particularly directed at the UN Security Council (UNSC) members (minus US and GBR of course) for insights as to how to membership is reacting to the on-going debate RE: Iraq, plans to vote on any related resolutions, what related policies/ negotiating positions they may be considering, alliances/ dependencies, etc – the whole gamut of information that could give US policymakers an edge in obtaining results favorable to US goals or to head off surprises. In RT, that means a QRC surge effort to revive/ create efforts against UNSC members Angola, Cameroon, Chile, Bulgaria and Guinea, as well as extra focus on Pakistan UN matters.

We’ve also asked ALL RT topi’s to emphasize and make sure they pay attention to existing non-UNSC member UN-related and domestic comms for anything useful related to the UNSC deliberations/ debates/ votes. We have a lot of special UN-related diplomatic coverage (various UN delegations) from countries not sitting on the UNSC right now that could contribute related perspectives/ insights/ whatever. We recognize that we can’t afford to ignore this possible source.

We’d appreciate your support in getting the word to your analysts who might have similar, more in-direct access to valuable information from accesses in your product lines. I suspect that you’ll be hearing more along these lines in formal channels – especially as this effort will probably peak (at least for this specific focus) in the middle of next week, following the SecState’s presentation to the UNSC.

Thanks for your help

· Footnote: This email was originally transcribed with English spellings standardised for a British audience. Following enquiries about this, we have reverted to the original US-spelling as in the document leaked to The Observer.

Das Memo weißt offensichtlich auf eine geplante Abhöraktion von Delegationen des UN-Sicherheitsrates hin, welche neben Telefongesprächen auf Faxverbindungen und Email-Korrepondenzen betrifft. Ganz konkret geht es darum, die Absichten der Mitglieder in Hinblick auf die Abstimmung über eine zweite UN-Resolution – bisher gilt die UN-Resolution 1441 vom 08.11.2002 – für den Irak, welche die USA indirekt zu einem Krieg gegen Saddam Hussein ermächtigen würde, vorab zu erfahren. Über die Resolution soll bis zum 11. März entschieden werden.


Der UN-Sicherheitrat besteht aus 5 ständigen und 10 auf zwei Jahre gewählten Mitgliedsländern. Die USA brauchen 9 von 15 Stimmen, um die Resolution durchzusetzen. Voraussetzung dafür ist, daß keines der ständigen Mitglieder sein Veto einglegt. Von den ständigen Mitgliedern werden voraussichtlich nur die USA und Großbritannien zustimmen. Frankreich, China und Rußland sind gegen einen Krieg im Irak.

Von den nicht-ständigen Mitgliedern werden auf jeden Fall Syrien und Deutschland dagegen stimmen, allein Spanien steht klar hinter der USA. Bulgarien teilt die Meinung der USA, daß Saddam Hussein nicht genug mit den UN-Sicherheitsinspektoren zusammenarbeitet und fordert wie wie Mexiko die Entwaffnung des Iraks. Angola, Chile, Pakistan und Guinea plädieren für weitere Inspektionen und eine friedliche Lösung. Sie setzen sich aber auch für einen von allen Seiten akzeptierten Kompromiß ein.


Die restlichen 6 Stimmen für eine zweite Resolution – neben denen von den USA selbst, Großbritannien und Spanien – welche die USA benötigt, können somit nur von Angola, Kamerun, Chile, Bulgarien, Guinea, Mexiko und Pakistan kommen. Koza fordert daher in dem Memo die NSA und einen „befreundeten Dienst“ auf, intensive Anstrengungen zu unternehmen, um an Informationen zu gelangen, die das Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat betreffen. Aber auch generell geht es um Neuigkeiten bezüglich der „Allianzen“, „Verhandlungspositionen“, und „Abhängigkeiten“ der betroffenen Länder, kurzum: Koza will alle nützlichen Informationen – auch die von nur indirekt an der Abstimmung beteiligten Personen – die sich in dieser Sache nur irgendwie beschaffen lassen. Diese Infomationen sollen erstebs den US-Diplomaten unliebsame Überraschungen ersparen und sie dadurch zweitens in eine bessere Verhandlungsposition bringen. „The whole gamut of information“ beinhalt natürlich auch private oder geheime Informationen, welche man unter Umständen als Druckmittel einsetzen könnte.

Laut dem „Observer“ wurde der Lauschangriff direkt von Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice angeordnet. Das Memo wurde demnach sowohl inhaltlich als auch formal von drei Geheimdienstexperten als authentisch eingestuft. Mitarbeiter hatten außerdem die dem Memo entnommene NSA-Durchwahl ausprobiert und waren prompt in Kozas Büro gelandet. Deren Assistent regierte auf die Anfrage bezüglich des Memos nur mit „You have reached the wrong number“ und hängte auf.


Viele Diplomaten der UNO und der Länderdelegationen wissen zwar, dass sie abgehört werden; das Memo liefert aber erstmals einen entsprechenden Beweis. Es könnte einen schweren Rückschlag für die Bemühungen der US-Diplomaten im UN-Sicherheitsrat darstellen. Die US-Regierung verweigerte jegliche Stellungnahme. Der russische UNO-Botschafter Sergey Lavrov versteht die Abhöraktion der NSA schlicht als „Teil des Spiels“. Der bulgarische Vetreter Stefan Tafrov merkte nicht ohne Augenzwinkern an, es sei doch eine „Ehre“, abgehört zu werden.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 7. März 2003
 Kategorie: Nachricht
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