Bundesverfassungsgericht: Allgemeines Persönlichkeitsrecht gilt für Computer

Damit ist eine Einschränkung dieses Rechts und folglich eine Online-Durchsuchung nur bei „tatsächliche[n] Anhaltspunkte[n] einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut“ möglich. Damit sind die Paragraphen aus dem Verfassungsgesetz Nordrhein-Westfalen nicht grundgesetzkonform und somit nichtig, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weiter in der Entscheidung. Die Einschränkung des neu formulierten Grundrechts auf digitale Privatsphäre kann gemäß dieser Entscheidung immer nur auf richterliche Anordnung geschehen.

Das BVerfG betont, dass Computern und anderen informationstechnischen Systemen wie z.B. Mobiltelefonen bei der Persönlichkeitsentfaltung vieler Menschen eine zentrale Rolle zukommt. Damit lassen Überwachung von Rechnern und Datenauswertung von Speichermedien zahlreiche Rückschlüsse auf die Persönlichkeit bis hin zur Profilbildung zu. Folglich genügen das in  Art. 10 GG formulierte Telekommunikationsgeheimnis und die in Art. 13 GG formulierte Unverletzlichkeit der Wohnung nicht den Ansprüchen der Gegenwart, weshalb das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme durch den Geist des Grundgesetzes impliziert werde, obwohl es nicht explizit ausformuliert wurde. (Siehe dazu auch Remote Forensic Software – Analyse der Online-Durchsuchung, Abschnitt Grundgesetz)

Eingriffe in dieses Grundrecht können nach Meinung des BVerfG sowohl zur Prävention als auch zur Aufklärung von Straftaten gerechtfertigt sein. Dazu gehören zum einen die Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Diese Eingriffe dürften nur bei Gefahren für Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt, vorgenommen werden und müssen immer mit einem Richtervorbehalt erfolgen.

Ferner muss auch der Eingriff in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung vermieden werden. Desweiteren verstößt das Verfassungsschutzgesetz NRW gegen das Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit.

Zur heimlichen Aufklärung des Internets, das ebenfalls im Gesetz verankert war, entschied das Gericht, dass es in bestimmten Fällen gegen das Telekommunikationsgeheimnis verstößt (Art. 10 GG). In anderen Fällen wie die Überwachung von Chatrooms oder Internetforen ist dies jedoch nicht gegeben. In diesen Fällen ist die heimliche Aufklärung zulässig, auch wenn die staatliche Behörde – in diesem Fall also der Verfassungsschutz – mit falschen Angaben (im Juristendeutsch: Legende) sich Zugang zu diesen Foren verschafft hat.

Der bayerische Innenminister Herrmann sieht sich in seiner Haltung bestätigt. Seiner Meinung nach erfüllt der bayerische Gesetzvorschlag die Vorgaben des Verfassungsgerichts. Anderer Meinung ist die FDP-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie sieht die sehr hohen Hürden für den Eingriff in das neue „Computer-Grundrecht“ im bayerischen Gesetzesvorschlag nicht für erfüllt.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Peter Schaar sprach bereits im Vorfeld der Entscheidung davon, dass das Problem bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht das Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten sei, sondern die Auswertung ihrer Ergebnisse. Dort gebe es noch mangelnde Kapazitäten.

 Autor: Thomas Mayer
 Veröffentlichung: 28. Februar 2008
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